Der weiche Kontakt ein (nicht immer) idealer Mythos
Führen muss weich sein. So wird es oft gesagt. Führen muss ohne Kraft erfolgen – ist eine andere Aussage.
Ebenso wird gesagt: Folgen muss man wie eine Feder so leicht.
Wer mit Menschen Tango tanzt merkt zuerst einmal, dass alle anders tanzen, genauso wie Menschen alle anders aussehen.
Wenn wir uns einmal darauf beschränken Tango aus der „klassischen“ Führendenrolle zu betrachten fällt zuerst einmal auf, dass es unterschiedliche Abstufungen und Arten des Kontaktes gibt. Die meisten unterrichteten Tangostile legen ihren Schwerpunkt in der Verbindung auf „das Führen“. Daraus rührt für die Folgenden meist eine wesentlich schnellere Entwicklung als bei den Führenden. Schließlich müssen sie „nur“ folgen. Das führt meist dazu, dass Folgende im Unterricht auch gar nicht aufpassen (müssen), weil ja die Hauptarbeit der führende Tanzpartner macht.
Eine weitere Folge dieser Vorgehensweise ist, dass Kurse für Folgende sich oft nur um das Thema Verzierung oder ähnliche Themen drehen. Was dazu führt, dass viele Folgende die Zeit im Tanz dazu nutzen durch Verzierungen etwas mehr Eigeninitiative in den „gemeinsamen“ (aber führendendominierten) Tanz einzubringen.
Natürlich ist bei dieser Betrachtungsweise eine Führung passend und „energiesparend“, wenn möglichst wenig Energie aufgewendet werden muss um eine Information vom Führenden an den Folgenden weiterzugeben.
Allerdings kann die Führung und der (mögliche) Spaß am Tanz darunter leiden – und eine echte Kommunikation ist nicht möglich.
Ein aus meiner Sicht möglicher Spaß entsteht, wenn eine echte Kommunikation stattfinden kann. Eine Kommunikation die beidseitig und gleichzeitig sehr variabel ist. Eine verbale Sprache hat viele Möglickeiten des unterschiedlichen Ausdrucks durch Variation der Tonhöhe, der Lautstärke und der Geschwindigkeit. Es können Gefühle nur über die Modulation der Stimme übertragen werden. Leider wird diese Variabilität meist nicht im Tange genutzt
Wo ist nun der Unterschied zwischen dem herkömmlichen Ansatz Tango zu tanzen und dem (aus unserer Sicht) idealen Kontakt?
In dem „klassischen“ Verständnis der Tangosprache nimmt der führende Tanzpartner die Musik auf und interpretiert diese dann in Bewegungen die sich auf das Tanzpaar auswirken. Jedoch ist die Verbindung so definiert, dass möglichst wenig Variabilität im Kontakt vorhanden ist: es ist immer möglichst gleich viel oder gleich wenig Kontakt. Vielfach wird gefordert, dass eine Folgende Person möglichst wenig „Widerstand“ leistet gegen die Führung.
Der aus unserer Sicht passendere Ansatz ist eine Variabilität im Kontakt, so kann auch über diesen Kontakt Energie in Form von Spannung übertragen werden die sich unmittelbar auf den Ausdruck im Paar auswirkt. Außerdem kann so auch eine „Rückübertagung“ und damit Beeinflussung von Seiten des folgenden Tanzpartners erfolgen.
Denn wenn ich mit Jemandem spreche und wir stehen an einer belebten Ampelkreuzung und dieser flüstert nur kann ich Nichts verstehen. Genausowenig ist es angebracht in einem Konzertsaal zu schreien. Meine Ausdrucksweise auf einer Beerdigung ist eine andere als auf einem Jahrmarkt. Genauso vielfältig ist die Ausdrucksweise im Tango. Und worüber sollte ich das Kommunizieren wenn nicht über die dem Tango innewohnende Verbindung über die Umarmung?