Die Frau das Sportgerät

Der Mann schreibt die Musik und die Frau ist der Stift, das ist eine Aussage, die ich letztens noch von einem Tänzer hörte. Der Satz von Tänzer zu Tänzerin: „Du tanzt wunderbar, wie mein Schatten.“ Ist auch eine Aussage, die so zu hören war …

Auch wenn Flüche und derbe Sprüche auf der öffentlichen Bühne mittlerweile als normal gelten halte ich mich hier zurück, obwohl mir da einiges auf der Zunge liegt, wenn ich solche Sprüche höre oder lese.

Ist die Frau nur als Werkzeug im Tango zu sehen? Kann ich auch ein Sportgerät nehmen und immer genau vorausberechnen was passiert, wenn ich diese Bewegung initiiere?

Das scheint nach wie vor die Betrachtung mancher Tangotänzer zu sein. Nur sagen, nein sagen würde es Niemand.


In einem Gespräch mit einer wirklich sehr guten Tänzerin kam der ganze Frust, die diese Einstellung bei Folgenden hervorruft zu Tage: „Ich bin es leid. Immer diese Männer, die mich nur dazu benutzen, um selbst gut auszusehen und mir keinen Raum lassen.“

Das ist oft der Zeitpunkt wo Frauen entweder anfangen zu führen (was ich gutheiße) oder gefrustet mit dem Tango aufhören. Exakt Letzteres hat diese Tänzerin mittlerweile gemacht, aufgehört zu tanzen.

Und das ist traurig. Weil das genau die Frauen wären, die das Tanzen auf ein neues Niveau heben könnten. Wenn die Männer – Verzeihung – WIR Männer nicht so ignorant wären.

Gibt es nur den Weg: führ oder stirb? Nein, das wäre falsch. Denn beide Rollen im Tango können schön sein. Beide Rollen im Tango haben ihre Existenzberechtigung. Es ist nicht so, dass die führende Rolle mehr Verantwortung für den Tanz hat als die Folgende Rolle. Beide sind für einen schönen Tanz verantwortlich. Beide sind dafür zuständig zuzuhören. Beide sind auch dazu berechtigt zu sprechen.

Und ich muss mir immer wieder selbst vor Augen halten, dass es nicht darum geht möglichst exakt zu führen und genau das Ergebnis zu erhalten, das ich mir überlegt habe. Ich tanze mit einem anderen Menschen, der auch eigene Bedürfnisse und Ideen hat. Und auch eigene Möglichkeiten sich im Tanz auszudrücken.
Das ist genau das Thema, das den Tango noch schöner gestalten kann – für beide Seiten. Eines das Tango auf ein neues Niveau heben kann. Denn erst wenn die Führenden den Folgenden Platz und Zeit und Raum geben für eigene Initiativen, entsteht mindestens der Ansatz eines Gespräches.

Wollen wir Frust auf der Tanzfläche?

Wer diese Frage mit Nein beantwortet sollte üben zu horchen oder zu beeinflussen. Für die Führenden heißt horchen Freiraum geben. Einmal eine Figur führen und den Folgenden dazu auffordern diesen Freiraum zu nutzen. Aus meiner Sicht würde Nichts dagegen sprechen dies auch einmal zwischen zwei Liedern vorzuschlagen mit Worten wie: „… ich würde Dir gerne mehr Freiraum geben im Tanzen. Wie kannst Du am besten verstehen, wenn ich Dir Zeit und Raum dafür gebe? Wie kann ich Dir das am besten anbieten?“
Für die Folgenden heißt den Führenden beeinflussen am Anfang vielleicht einfach den Führenden einmal (sanft) zu stoppen und dadurch den Tanz zu verzögern – besonders angenehm wenn die Musik Pausen hat und der Führende diese bisher nicht gehört/interpretiert hat.

Alles Weitere ist Training und Tanzen. Und vielleicht ist dann bald nicht nur Zeit für eine kurze Spielerei der Folgenden, sondern sogar für ein richtiges Gespräch …