Eine Frage des Stils – Tangostile und Lernmethoden

Es gibt unterschiedliche Tangostile auf dieser Welt. Selbst wir beide (Raphaela und Holger) tanzen nicht exakt gleich. Das hängt mit biomechanischen Parametern (Körpergröße, Gewicht, Kraft, Statue etc) aber auch anderen Bewegungshintergründen und psychischen Aspekten wie Selbstwahrnehmung, Ex- oder Introvertiertheit, wie ich Informationen verarbeite etc etc. zusammen.
Außerdem gibt es einige generelle Unterschiede bei verschiedenen Tango/Tanzstilen.
Unterschiede gibt es in der Art  
– des Stehens: eher vorne auf dem Fuß oder eher in der Mitte oder sogar hinten
– der Umarmung: mit möglichst wenig Kontakt andere mit möglichst viel
– der engen oder weiten Umarmung: mit keinem oder wesentlichen Unterschieden in der Art der Ausführung
– ob sie sich überhaupt für enge oder weite Umarmung eignen
– ob sie eher extrovertiert getanzt werden – und damit z.B. eher für Showtanz geeignet sind oder introvertiert was wiederum mehr auf eine Gemeinsamkeit mit dem Partner fokussiert
– Führung: über Bewegungen im Oberkörper starten, Bewegungen die auf Basis von menschlichen Verhalten abgeleitet wurden (ein bekanntes und eingängiges Beispiel ist hier das öffnen einer Tür das symbolisieren kann dass der Partner den geöffneten Raum betreten kann) oder Führen über den Kontakt direkt vom Boden
– des Gehens: ob auf dem Vorfuß, Mittelfuß oder Ferse gegangen wird
– u.v.m.

Im Grunde genommen ist es nicht möglich einen Stil zu schaffen, der nicht in irgendeiner Weise Teile all dieser unterschiedlichen Aspekte enthält. Und das Ergebnis kann gesehen werden, wenn man/ich/Du/Sie hingeht und z.B. Shows oder Videos von Tangotanzpaaren anschaut. Die Basis ist nach vielen Jahren des Tanzes immer die gleiche: es ist eine Verbindung auf rein biomechanischer Ebene vorhanden. Diese funktioniert nur bei einem guten Körperbewusstsein (das trainiert werden kann) und auf (meist) rein mechanischer Basis. Der Körper ist intelligent genug, um Gesten und Zusammenhänge zu automatisieren und in Bewegungen umzusetzen. Dies ist bei jedem Tangostil identisch: viel Üben führt zum Erfolg. Im TaiChi und bestimmt auch anderen bewegungsorientierten Beschäftigungen gibt es den Ausspruch „nur noch wenige zehntausendmal und schon …“ 

Manche Lernmethoden für Tango fordern die Merkfähigkeit der Tänzer und Tänzerinnen heraus indem sie Figurenfolgen wiederholen und so unterschiedliche Muster vorprägen. Andere fordern die Improvisation heraus, indem sie nur eine Basis mit allen möglichen Varianten durchspielen und die Körperintelligenz selbst entscheiden lassen was sich gut anfühlt und was nicht.

Doch gibt es auch andere Wege – Wege etwas schneller zu erlernen als primär über vielfaches Widerholen?

Ein wesentlicher Aspekt etwas schneller zu lernen ist die Variante der Minimierung der Variablen.
Klassisch gesehen: in einer einfachen Aufgabe können schneller Zusammenhänge erkannt werden als in einer komplexen.
Indem einfachere Verbindungen hergestellt werden kann schneller ein Zusammenhang geschaffen werden. Außerdem hilft auch Variablen und deren Zusammenhänge möglichst klar darzustellen.

Ein weiterer Punkt ist bewusst zu berücksichtigen, wie der Mensch Bewegungen lernt.
Die allgemein anerkannten Stufen des Lernens (hier abgeleitet aus dem NLP) sind:
Es beginnt mit unbewusster Inkompetenz (ich weiß nicht dass ich nicht Auto fahren kann),
geht über zu bewusster Inkompetenz (ich weiß dass ich kein Auto fahren kann),
dann kommt die bewusste Kompetenz (ich fahre Auto sehr bewusst, jeden Handgriff überlegend)
und zuletzt die unbewusste Kompetenz (ich kann beim Autofahren essen, telefonieren, reden was auch immer – wenn ich auch einiges davon nicht darf).
Eine Möglichkeit die direkt von der unbewussten Inkompetenz zur unbewussten Kompetenz springt lernt/lehrt schneller.

Wir tanzen Tango bewusst basierend und zurückgeführt auf biomechanische Prinizipien. Aufbauend auf einer Verbindung die im Fuß des einen Partners startet und im Fuß des anderen Partners endet. So ist eine starke Vereinfachung der Kommunikation unter gleichzeitiger Eliminierung von unnötigen Bewegungen möglich – gleichzeitig können einige Variablen eliminiert werden. Hilfreich hierfür ist eine genaue Wahrnehmung beider Tanzpartner für das was sie selbst oder der jeweils Andere tut.

Nach Etablierung einer einfachen und gleichzeitig weichen Verbindung, können fast alle Tangobewegungen nur durch ein gutes Körperverständnis getanzt werden.

Um den direkten Lernprozess von der unbewussten Inkompetenz zur unbewussten Kompetenz zu schaffen, eignet sich jedes Verfahren das Verbindungen unterschiedlicher Bewegungsmuster etabliert. Wenn diese dem Körper logisch erscheinen wird er sie in jedem auftretenden Fall anwenden (typisches Beispiel ist hier zum Beispiel das automatische Ausstrecken der Arme beim Fallen – was zwar den Rumpf schützt aber in vielen Fällen zu Verletzungen der Arme oder Hände führt – ein Punkt den ich gerade wieder am eigenen Leib erfahren konnte). Wird z.B. gelernt abzurollen ist dies eine Alternativbewegung die sich in bestimmten Fällen besser eignet – und so Rumpf UND Arme schützen kann). Werden nur genug möglichst allgemeine Bewegungsmuster erlernt, kann der Körper selbst entscheiden welches sich im konkreten Fall am Besten eignet.

Wir glauben dass sich eine Methode basierend auf Biomechanik gut für diesen Ansatz eignet.